“Ghosting” – warum Kunden abtauchen und was man dagegen tun kann

Wer in Verkauf und Vertrieb tätig ist, der kennt das: Interessenten oder Kunden tauchen einfach ab, sind nicht mehr erreichbar und reagieren auf keine Ansprache und Nachricht mehr.

Dabei hatte es doch so gut angefangen. Der Termin beim Kunden lief nahezu perfekt. Der Ansprechpartner war auch wirklich interessiert an den Produkten und Leistungen. Deshalb hat man auch viel Zeit, Hirnschmalz und Energie in ein wirklich tolles Angebot investiert, das der Kunde eigentlich nicht ablehnen kann.

Im Prinzip rechnet man damit, dass der Kunde gleich am nächsten Tag die Bestellung schickt, und was passiert? Nichts!

Genau genommen sogar mehr als nichts, denn jetzt passiert das, was man inzwischen mit dem Begriff „Ghosting“ bezeichnet.

Der Ansprechpartner ist nicht mehr erreichbar. Das Telefon klingelt ins Leere. Die Zentrale stellt nicht durch und behauptet, der Ansprechpartner sei nicht im Büro oder generell im Home-Office und deshalb nicht erreichbar. Auf E-Mails kommt keinerlei Reaktion und selbst die Nachricht über LinkedIn verpufft ohne Wirkung.

Der Begriff „Ghosting“ kommt ursprünglich aus der privaten Dating-Szene, hat aber inzwischen den Sprung ins Geschäftsleben geschafft. Demzufolge sind die Gründe für das Ghosting tatsächlich gar nicht so weit voneinander entfernt.

Warum „ghosten“ Kunden?

Natürlich kann es verschiedene Gründe geben, warum ein Kunde abtaucht, von daher verbieten sich hier Verallgemeinerungen. Ich will aber dennoch versuchen, ein paar Gründe zu identifizieren:

  1. Veränderte Prioritätenlage
    Gerade im Mittelstand verändern sich die Prioritäten nahezu im Stundentakt. Was heute noch wichtig und dringend ist, kann morgen schon von anderen Themen in den Hintergrund gedrückt worden sein. Der Bedarf bzw. der Schmerz ist nicht mehr vorhanden oder kleiner geworden.
  2. Produkt- oder Leistungsvorteil wurde nicht richtig verstanden
    Das kann verschiedene Gründe haben. Entweder, man hat tatsächlich nicht den richtigen Ton getroffen oder die berühmte Chemie stimmt einfach nicht.
  3. Scham – Kunde traut sich nicht „Nein“ zu sagen
    Vielleicht wurde dem Abteilungsleiter inzwischen das Budget gestrichen, der Chef lehnt den geplanten Invest ab oder man hat sich schlicht und einfach für den Wettbewerb entschieden, und aus Scham traut sich der Kunde nicht, dies offen auszusprechen.
  4. Mangelndes Selbstbewusstsein des Ansprechpartners
    Der Ansprechpartner müsst jetzt intern die nächsten Schritte einleiten, traut sich aber nicht
  5. Mangelnde Umgangsformen
    Selbstverständlich kann es auch vorkommen, dass der Ansprechpartner des Interessenten oder Kunden einfach ein Mensch mit schlechten Umgangsformen ist und nicht weiß was sich gehört.

Egal, woran es liegt. Wichtig ist auf jeden Fall, dass man es als Verkäufer nicht persönlich nimmt, wenn man geghostet wird. Meistens hat man gar nichts falsch gemacht.

Wahrscheinlich stellt sich aber für viele nun doch die Frage, was kann man denn tun, wenn der Kunde abtaucht.

Auch dafür gibt es natürlich kein Allheilmittel aber durchaus ein paar Optionen, um Ghosting zu vermeiden beziehungsweise zu reagieren, wenn es denn dann so weit ist. Drei dieser Optionen möchte ich beschreiben:

  • Von Anfang an „verbindlich“ kommunizieren
    Zeigen Sie von Anfang an auf, dass Sie Profi sind. Achten Sie bei Ihrer Kommunikation darauf, dass für den Interessenten klar wird, dass das, was Sie tun kein Spaß oder netter Zeitvertreib ist. Vereinbaren Sie nach jedem Schritt im Vertriebsprozess den nächsten verbindlichen Termin oder Prozessschritt. Bestätigen Sie Termine und Vereinbarungen per E-Mail und verlangen Sie das auch von Ihrem Ansprechpartner.
  • Fordern Sie den Ansprechpartner zur Mitwirkung auf
    Sorgen Sie dafür, dass Ihr Ansprechpartner nicht in der passiven Rolle bleibt. Fordern Sie seine Mitwirkung im Verkaufsprozess. Lassen Sie sich Unterlagen geben oder schicken, lassen Sie Checklisten ausfüllen und fordern Sie, dass man Ihnen weitere Personen vorstellt, die an dem Entscheidungsprozess mitwirken.
  • Reziprozität nutzen
    Wer etwas bekommt, fühlt sich – laut dem Reziprozitäts-Prinzip – verpflichtet, etwas zurückzugeben. Ich möchte Sie natürlich nicht dazu ermutigen, Ihre Kunden zu bestechen, aber kleine Aufmerksamkeiten, und sei es nur der Cappuccino, der Kalender oder Kugelschreiben, können schon ausreichen, um den psychologischen Effekt der Reziprozität auszulösen.

Sicherlich gibt es noch weitere Möglichkeiten, um “Ghosting” zu verhindern oder entsprechend zu reagieren, und ich denke, der Hinweis, dass man möglichst alle zur Verfügung stehenden Kommunikationskanäle nutzen sollte, erübrigt sich an dieser Stelle.

Aus meiner Sicht sollte man als Verkäufer aber auch zu gegebener Zeit eine Entscheidung treffen und für sich selbst festlegen, ob man wirklich mit einem Unternehmen oder Menschen zusammenarbeiten möchte, der „Ghosting“ betreibt.

Der Markt ist für fast alle Produkte und Dienstleistungen groß genug, sodass man sich dann lieber möglichen neuen Kunden zuwenden sollte, als wertvolle Verkaufszeit an „Ghoster“ zu verschwenden. Viel Erfolg!

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Holger Steitz ist Trainer, Berater, Coach und Autor für Vertrieb und Kundengewinnung, Social-Selling, Führung und Verhandlungstechniken im B2B-Umfeld und der Kopf von SALE DIRECT. Er trainiert und coacht Führungskräfte und Mitarbeiter im Vertrieb und unterstützt mit seiner SALE DIRECT GmbH B2B-Unternehmen bei der Entwicklung und Optimierung von Vertriebsstrategien und bei der Umsetzung von Konzepten zur Neukundengewinnung für erklärungsbedürftige Produkte und Dienstleistungen.

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