Geben wir uns eigentlich wieder die Hand?

Ich gebe es zu. Während der Corona-Krise war ich der festen Meinung, dass das Thema Händeschütteln durch ist. Ich hätte gewettet, dass wir von den Viren dermaßen traumatisiert sind, dass die körperliche Berührung ein für alle Male passé ist.

Aber Pustekuchen! Schon zwischen den verschiedenen Pandemie-Hochphasen 2021 und 2022 streckten mir die Menschen wieder freudestrahlend die Hände zum Gruß entgegen.

Okay, manche bleichen zurückhaltend und belassen es bei einem dezenten Kopfnicken. Bei einigen Zeitgenossen hat sich tatsächlich die Gettofaust durchgesetzt und der eine oder andere ist sogar zu dem buddhistischen Gruß der zusammengeführten Hände übergegangen.

Sogar der doppelte Wangenkuss und die Umarmung sind im privaten Umfeld oder im Kontakt mit vertrauten Personen auch im geschäftlichen Umfeld nach wie vor opportun.

Das ist alles so weit okay, hilft uns aber bei der Frage, ob wir im Vertrieb die Hände schütteln oder nicht, erst einmal nicht weiter.

In diesem Zusammenhang macht es Sinn sich in Erinnerung zu rufen, woher dieses Ritual eigentlich kommt. Warum braucht es zur Begrüßung und Verabschiedung die körperliche Berührung? Warum schütteln wir einander die Hände?

Eine verbreitete Theorie zu den Ursprüngen des Handschlags besagt, dass er als eine Geste des Friedens begann. Wer die Hand eines anderen nimmt, zeigt, dass er in seiner eigenen Hand keine Waffe trägt. Durch das Schütteln wird sichergestellt, dass das Gegenüber nichts in seinem Ärmel versteckt.

Auf römischen Münzen findet man bereits das Händeschütteln als Symbol der Eintracht, und im Neuen Testament wird schon ca. 50 nach Christus, im Brief des Paulus an die Galater erwähnt, dass Paulus beim Abschied in Jerusalem die „rechte Hand der Freundschaft“ gereicht wurde. In seine heutige Form kam der Brauch wahrscheinlich durch die Quäker im 17. Jahrhundert als eine vereinfachende und gleichstellende Form der Begrüßung nach Europa.

In Deutschland entwickelte sich durch die Teilung tatsächlich sogar unterschiedliche Bedeutungen des Händedrucks heraus. So symbolisierte der Händedruck in der DDR seinerzeit die Einheit der Arbeiterbewegung und die Überwindung der Spaltung und wurde fast schon inflationär verwenden. Während die Funktion des Händeschüttelns in Westdeutschland vermehrt im Geschäftsleben üblich war und sich seit der 68er-Bewegung sogar eher rückläufig entwickelte.

Dass die Bedeutung in Ost- und Westdeutschland einen unterschiedlichen Stellenwert hat, zeigt eine Umfrage aus dem Jahr 2018, nach der 70% der Ostdeutschen Freunde und Bekannte mit Handschlag begrüßen, in Westdeutschland aber nur rund 40%.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass 2017 der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maiziere das Händeschütteln sogar in seinen Zehn-Punkte-Katalog zu einer deutschen Leitkultur aufgenommen hat.

Der historische Zusammenhang ist sicherlich interessant, es bleibt aber die Frage, wie wir uns im direkten Kundenkontakt verhalten, wenn wir als Verkäufer zu unseren Kunden fahren. Geben wir die Hand oder lassen wir es besser?

Unbestritten ist und bleibt offenbar der Händedruck ein wichtiges formelles Begrüßungsritual, welches den ersten Eindruck eines Menschen prägen kann und somit in die Beurteilung des Gegenübers einfließt.

Ich empfehle in meinen Trainings, erst einmal kurz abzuwarten und darauf zu reagieren, was der Kunde macht. Streckt der Kunde die Hand zum Händedruck aus, sollte man diese, nach meiner Ansicht, ergreifen und den Händedruck erwidern.

Signalisiert das Gegenüber durch herabhängende Hände, ein eher defensives Abstandhalten, meist in Verbindung mit einem dezenten Kopfnicken oder ein anderes Begrüßungsritual, wie beispielsweise die Ghettofaust oder den buddhistischen Gruß, dass ein Händedruck nicht angesagt ist, sollte man respektvoll eben darauf eingehen.

Wenn sich beide Seiten aber auf den Händedruck als Begrüßungs- und Verabschiedungsritual geeinigt haben, dann sollte der Händedruck auf jeden Fall fest und bestimmt sein. Der „tote Fisch“ oder der trumpsche „Fingerschraubstock“ gehen gar nicht.

Ergreifen Sie beim Händedruck die ganze Hand des Gegenübers. Die Begrüßungsfläche sollte so groß wie möglich sein. Die Bewegung – das Schütteln – sollte flüssig und ruhig erfolgen und nicht länger als ein bis zwei Sekunden andauern. Das wirkt selbstsicher und freundlich – und genau so möchte man als Vertriebsmitarbeiter von seinem Gesprächspartner und Kunden doch wahrgenommen werden.

Und natürlich sollten wir alle das, was wir während der Corona-Pandemie so perfekt gelernt haben auch weiterhin praktizieren: regelmäßiges und gründliches Händewaschen und Händedesinfizieren. Egal, ob wir Hände schütteln oder nicht.

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Holger Steitz ist Trainer, Berater, Coach und Autor für Vertrieb und Kundengewinnung, Social-Selling, Führung und Verhandlungstechniken im B2B-Umfeld. Er trainiert und coacht Führungskräfte und Mitarbeiter im Vertrieb und unterstützt mit seinem Team B2B-Unternehmen bei der Entwicklung und Optimierung von Vertriebsstrategien und bei der Umsetzung von Konzepten zur Neukundengewinnung für erklärungsbedürftige Produkte und Dienstleistungen.

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